Frühling

Zuerst zaghaft die weißen Schneeglöckchen. Alles andere verharrt im Knospenzustand, um nicht Opfer der letzten Fröste zu werden. Anfangs wird die Reihenfolge noch eingehalten- Krokusse vor den Narzissen und Tulpen- aber bald schon wird es unübersichtlich bunt- gelbe Forsythien wetteifern mit der Zaubernussblüten, Buschwindröschenteppichen und Blausternkissen. Das Grün, gerade noch kaum wahrnehmbar blass erstrahlt nach warmen Regenschauern satt leuchtend.

Die Kleingärtner setzen noch einen drauf und verwirren die Kinder mit knallfarbenen Plastikeiern an den letzten noch kahlen Sträuchern. Und die Jugendlichen, die den Winter über das Haus nur minutenlang und keinesfalls aus freien Stücken verließen zieht es in die Außenanlagen- statt der laut zwitschernden Vögel im Brutmodus die aktuellsten Beats per Kabel im Ohr. Sie bewegen sich- am liebsten scharenweise durch die Stadt und fühlen sich altersbedingt frei, wild und unbesiegbar.

Ähnliche Unsterblichkeitsgefühle treiben Motorradfahrer zu übermütigen Slalomfahrten wo auch immer sie ihre Kurvensuche hinführt. Die Knie im Minimalabstand zum Asphalt kommen sie entgegenkommenden Fahrzeugen in der Waagerechten aufregend nahe. Das Geheul ihrer Motoren erschüttert Anwohner bis ins Mark wie früher Wölfe in den Wintermonaten.

Spaziergänger tragen wieder Eishörnchen anstelle von Handschuhen und Raucherheizpilze werden arbeitslos. Durch die abendliche Dämmerung ziehen köstliche Grilldüfte und vermutlich bekommt die Stadt bald wieder ein Müllproblem in den Grünanlagen. Auf jeder kleine Freifläche werden Picknickdecken ausgebreitet. Die bauchtragenden Jogger lassen es nach dem langen Winter langsam angehen. Die anderen rennen mit übermütigen Hunden um die Wette. Nicht ganz sicher ob sie den „der ist noch so jung, der will nur spielen“-Rufen trauen können.