Pathos für Patina

Das Viertel rüstet sich für eine open-air-party mit Kunst und Kultur. Ein paar Meter weiter schlafen die rumänischen, tschechischen, slowakischen und serbischen Busfahrer schon hinter getönten Scheiben. Bisher war das Interesse an diesen Abstellflächen eher mäßig. Hinter hohen Gitterzäunen verbellt ein Wachhund jeden, der sich seiner Gebrauchtwagenherde unrechtmäßig nähert. Die alten Lagerhäuser tragen ihre Backsteinpatina mit schmutziger Gelassenheit. Schriftzüge blättern ab und verleugnen die geschäftige Vergangenheit hinter ihren Wänden. Alles ist ein bisschen von gestern. Unkräuter und Rost haben sich Flächen erobert.

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Chance vertan

es hätte eine Gelegenheit sein können, zu zeigen, dass eine gut funktionierende Demokratie ohne Polizeiknüppel und Tränengas auskommt-dass kritische Demonstranten zur gesunden Diskussionskultur eines Landes dazu gehören.

Mit den Bildern aus Hamburg haben diejenigen, die sich als zerstörerische Banden durch eine gastgebende Stadt bewegt haben, diese Möglichkeit ins ungute Gegenteil verkehrt. Von Politik war aufgrund der Rauchsäulen überder Stadt kaum noch die Rede. Hatte irgendwer noch Sinn für die Botschaften auf den Plakaten?

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(T)Error

der „Schrecken“ versucht, allgegenwärtig zu sein, in unserem Leben, unserem Alltag. Verglichen mit der Weltbevölkerung sind es wenige. Die ihr eigenes Leben wegwerfen im Namen fragwürdiger Ideen. Es sterben täglich Menschen. Laut Statistiken weltweit 150000- 200000. Manche nach einem vollendeten Leben- eines natürlichen Todes. Manche durch Krankheiten. Manche bei Unfällen. Viele, viel zu viele, aufgrund von schlechten Lebensbedingungen. Und einige durch Gewalt.

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Ja?

Grundsätzlich ist das „Ja“ bei uns positiv besetzt- wer ja sagt zum Leben, zur Liebe gilt als optimistisch, dem Leben zugewandt. „Nein“ als Kontrapunkt dazu wird eher abgrenzend, ausschließend und abwehrend empfunden. In der Türkei ging das Regierungslager vor dem Referendum vom vergangenen Sonntag noch weiter: das „Nein“ wurde zum Unwort erklärt. Das nicht „Ja“-Sagen hochstilisiert zum Verrat am Volk.

Jemandem die Wahl zu lassen bedeutet ein Risiko eingehen. Jemand, der fragt und „Nein“ hört macht sich möglicherweise lächerlich- zumindest aber verwundbar, denn die Zustimmung wurde ihm verwehrt. Gründe werden gesucht. Schuld zugewiesen. Alle demokratisch gewählten Regierungen leben mit diesem Risiko. Die türkische Regierung ist dieser Schmach knapp entgangen. Die „Ja“-Sager zu ihrem Politikentwurf waren in der Mehrheit, zumindest wenn man den veröffentlichten Zahlen trauen darf.
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mother of all- bombs

Wie kann man ein tonnenschweres Tötungsinstrument „Mutter“ nennen? Hat jemand sein eigenes verqueres Mutterbild mit dem griffigsten Hashtag aus der Keywordsuche verquickt? Mütter sind keine Heiligen aber, nur kurz zur Erinnerung: Mütter sind diejenigen, die sich die Augen ausweinen, wenn ihre Kinder von Metallsplittern durchbohrt werden. Oder durch die Druckwelle „stark wie ein Erdbeben“ an zerfetzten Organen zu Grunde gehen. Seien die Kinder Terroristen oder einfach nur zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen. Eine Mutter, die den Tod von 36 Menschen als „sehr erfolgreiches Event“ feiert mag es geben: wenn jemand ihr eigenes Kind mit dem Tod bedroht, ist aber statistisch gesehen immer noch die Minderheit. Und der Befehlshaber in Sachen Bombenabschuss hat so rein gar nichts von einer Mutter, auch wenn er seine Kinder bestmöglich an seiner Machtfülle teilhaben lässt. Bevor jetzt irgendjemand auf die schlaue Idee kommt, die Bombe in „Vater aller Bomben“ umzutaufen, was rein formtechnisch allerdings besser passen würde- auch Väter haben es nicht verdient, mit dieser Killermaschine in Verbindung gebracht zu werden.

Feiertagsstimmung

Vor einem Champions-League Spiel in Dortmund:
es herrscht Vorfreude, Spannung liegt in der Luft.
In den Büros wird der zu erwartende Spielverlauf
diskutiert, in Kollegenkreisen kursieren Tippspiele.
Menschen mit Dauerkarten auf der Südtribüne
sind „everybody’s darling“- für den Fall, sie sind
mal verhindert stehen genug Kumpel Schlange.

Die ersten Fans genehmigen sich mittags
schon mal Pommes-Currywurst, gerne mit Pils,
und ab dem frühen Abend herrscht Ausnahmezustand
in den Stadtbahnen. Die Bilder am den Turmfenstern
des U informieren auch den letzten Nicht-Fußballfan:
heute ist Heimspiel. An diesen Tagen schlagen
die schwarzen und gelben Kickerfiguren
dort oben Salto in Dauerschleife.

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Endlich Regen

Tiefe Risse in der Erde des kleinen Blumenbeetes-
viele Samenkörner gar nicht erst aufgegangen.
Auf der Wetterkarte wird die durchschnittliche
Regenmenge des Frühjahrs angezeigt-
man spricht bereits von „Dürre“-
untypisch eigentlich für ein Frühjahr
in Deutschland, aber nicht mehr
beispiellos, schon vor zwei Jahren
wurde um die Pflanzen gefürchtet.

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Frühling

Zuerst zaghaft die weißen Schneeglöckchen. Alles andere verharrt im Knospenzustand, um nicht Opfer der letzten Fröste zu werden. Anfangs wird die Reihenfolge noch eingehalten- Krokusse vor den Narzissen und Tulpen- aber bald schon wird es unübersichtlich bunt- gelbe Forsythien wetteifern mit der Zaubernussblüten, Buschwindröschenteppichen und Blausternkissen. Das Grün, gerade noch kaum wahrnehmbar blass erstrahlt nach warmen Regenschauern satt leuchtend.

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Letzter

Letzte Arbeitstage- Abschiednehmen und Innehalten. Rückblick, noch ist alles ganz präsent. Die Arbeitsabläufe. Die Kollegen. Lustige Momente und Ärger, den man gemeinsam bekommen hatte, Streit über geöffnete Fenster oder andere wichtige Dinge- und im besten Fall anschließend die Versöhnung. Die vielen Gesichter, die du nur hier siehst. Ahnung von Persönlichkeiten, die die Atmosphäre prägen. Wissen um Stärken und Schwächen, kleine und große Macken. Belangloses Geschwätz verbirgt vielleicht nur großen Kummer.

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Happy

Was ist Glück?

Ein Gemütszustand, hätte ich gesagt. meist vorübergehend, denn er bezeichnet einen Zustand von guter Grundstimmung plus positiven Impulsen welcher Art auch immer. Sorglos trifft es nicht ganz. Zufriedenheit- empfindet man mitunter auch ohne besondere Impulse. Glück- oder vielleicht auch das Bewusstsein von Glück bedarf eines besonderen Moments.

Aber: die Welt will es wissen, welches Volk auf Erden denn nun das glücklichste ist- im „World Happiness Report (Helliwell, J., Layard, R., & Sachs, J. (2017). World Happiness Report 2017, New York: Sustainable Development Solutions Network)“ wird es jedes Jahr ermittelt. Dieses Mal haben die Norweger die Nase vorn- bzw das Herz voller positiver Emotionen.

„Lykkelig“ bedeutet in Norwegen: Glück

Das klingt heimelig und undramatisch- und vielleicht ist das schon das Geheimnis, warum die Skandinavier offensichtlich so gut in Sachen Glück sind.Nicht die sonnenverwöhnten Südeuropäer, denen man ein „feuriges Temperament“ und das „dolce vita“ angedichtet hat. Nicht die genussfreudigen Franzosen, die „essen wie Gott“ wenn man den Restaurantführern glauben darf. Und schon gar nicht wir Deutschen mit der „Schwarzen Null“ im Staatshaushalt. Nein, zu staatenweise messbarem Glück gehört: ein beständiger Lebensrahmen in Verbindung mit dem Gefühl, dass der Staat es gut mit einem meint. Politiker, die über den Verdacht der Korruption erhaben sind. Dass es gerecht zugeht, und alle in etwa das haben, was sie brauchen. Und neben der Arbeit genug freie Zeit für eigene Interessen. So in etwa die Antworten der befragten Norweger, der wenigen Befragten im TV-Interview, versteht sich.

Ob sie auf dem Gipfel des Glücks auch an das untere Ende der Statistik geschaut haben?

Von 155 ausgewerteten Staaten liegen vor allem afrikanische Staaten weit abgeschlagen. Und die aktuellen Kriegsregionen. Was niemanden wundern kann. Die Ergebnisse basieren vor allem auf Befragungen- etwa 1000 im Lauf des vergangenen Jahres in jedem der 155 Länder. Die Interviewten waren aufgefordert, ihr Leben auf einer 10 stufigen Leiter einzuordnen, dabei war 0 das denkbar schlechteste, 10 das beste vostellbare Leben.

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